Gespräch mit der Traumatherapeutin Luise Reddemann über die Quellen von Trost und Empathie.
Mitgefühl und Trost sind im Umgang mit traumatisierten Menschen unabdingbar. Daran lässt die erfahrene Traumatherapeutin keinerlei Zweifel. Wie wichtig aber auch Freude, Leichtigkeit und Gelassenheit sind, erklärt sie in dem Gespräch mit Christa Spannbauer.
C.S. Mitgefühl und Trost galten in der Psychotherapie und Psychiatrie lange als verpönt. Sie selbst sind eine entschiedene Verfechterin des Trostes. Weshalb ist Mitgefühl für den Heilungsprozess so wichtig?
L.R. Mitgefühl ist eine Art von Liebe oder auch Zuwendung. Vor allem, wenn wir leiden, benötigen wir dringend Mitgefühl für uns selbst und das kann angestoßen werden, wenn die, die uns betreuen
oder behandeln uns mitfühlend begegnen. Jeder Mensch, der das in schwierigen Momenten erlebt hat, weiß um die Erleichterung, die sich dadurch einstellen kann.
C.S. Was lehrten Sie Ihre Erfahrungen mit traumatisierten Menschen im Hinblick auf Mitgefühl?
Dass es wichtig ist achtsam, offen, neugierig, mutig und eben auch mitfühlend zu sein. Und dass es selten hilfreich ist, zu meinen, ich wisse besser, was gut ist für andere als diese selbst. Das
nenne ich Würdeorientierung, die untrennbar zum Mitgefühl gehört.
Mitgefühl allein ist im Übrigen nicht alles, sondern wir brauchen, um mit Leichtigkeit mitfühlend sein zu können, Gelassenheit und die Bereitschaft, freundlich zu sein- was ja auch geübt
sein will – sowie Freude. Denn nur wenn wir uns erlauben in Behandlung und Begleitung gemeinsame Momente der Freude zuzulassen, gemeinsam zu lachen, dann gelingt auch Mitgefühl immer wieder.
Sogar mit einer gewissen Leichtigkeit.
C.S. Menschen in helfenden und heilenden Berufen wird häufig dazu geraten, sich von den Patienten und deren Leid abzugrenzen, um „Empathiestress“ zu vermeiden. Was meinen Sie dazu und wozu würden Sie raten?L.R.
L.R. Empathie bedeutet ja Einfühlung und Einfühlung allein genügt eben nicht. Denn dann kann es geschehen, dass man sich völlig mit der anderen Person identifiziert und das kann Ohnmacht erzeugen
und tatsächlich krankmachend wirken. Mitgefühl bedeutet hingegen, sich nicht nur einzufühlen, sondern ins Handeln zu kommen, also Heilsames bewirken zu wollen. Dazu braucht es auch Kreativität
und vor allem Bescheidenheit, wenn nicht sogar Demut. Wir haben nicht alles in der Hand, wie wir gerne glauben möchten. Darüber hinaus kann helfen, zumindest hilft mir das, sich die Verbundenheit
bewusst zu machen.Ich empfehle allen Menschen in helfenden Berufen außerdem, dass sie mitunter mutig ihre „dunklen“ Seiten und Erfahrungen anschauen, dass sie sich eingestehen, dass man nicht
immer alles richten kann, um dann wieder Mut zu schöpfen und in eine liebevolle Geste oder zu liebevollen Worten zu kommen .
C.S. Können wir Mitgefühl im späteren Leben aktivieren, wenn wir es als Kind nicht erfahren haben und es uns nicht vorgelebt wurde?
Mitgefühl lässt sich auch bei Menschen entdecken, die es als Kinder nicht erlebt haben. Offensichtlich bringen viele Menschen, wenn vielleicht auch nicht alle, zumindest eine Sehnsucht danach mit. Gerade Menschen in helfenden Berufen können davon profitieren, wenn sie sich zunächst bewusst machen, dass es bei ihnen selbst und bei anderen, die sie begleiten, das Bedürfnis nach Mitgefühl gibt, und sie sich dann bewusst in Mitgefühl üben. Das kann durch Achtsamkeitspraxis geschehen oder auch mit spezifischen Übungen zum Mitgefühl für sich und andere. Man muss auch bereit sein anzuerkennen, dass Erfahrungen schmerzen können und diesen Schmerz nicht immer gleich verdrängen und verleugnen, was häufig geschieht. Dies wiederum gelingt nach meiner Erfahrung am besten, wenn man offen ist für Schmerz und Freude.
Hier können Sie den vollständigen Artikel Das Engagement des Herzens lesen.
Mein Geheimtipp: Vom 10. - 12. Januar ist Luise Reddemann zu einem Vortrag und Wochenendseminar im buddhistischen Meditationszentrum Lotos Vihara.
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