Esther Bejarano und der Mut zur Freiheit

Foto: Lisa Günther
Foto: Lisa Günther

Die heute 95-jährige Shoah-Überlebende Esther Bejarano erzählt in unserem Film Mut zum Leben - die Botschaft der Überlebenden von Auschwitz von ihrem großen Tag der Befreiung.

„Ich habe immer fest daran geglaubt, dass ich wieder frei sein werde. Und eines Tages war es dann auch fast so weit. Es wurde im Lager gemunkelt, wir sollten versuchen, an zivile Kleidung zu kommen und diese unter der Sträflingskleidung tragen. Für den Fall, dass wir evakuiert würden. Denn die russische Armee stand schon fast vor den Toren von Ravensbrück. Da hat die SS uns alle, die wir noch laufen konnten, aus dem KZ herausgetrieben, damit die Russen uns nicht finden. Und wir sind auf einen der Todesmärsche gegangen, wie sie später genannt wurden, weil so viele Menschen, die bis dahin überlebt hatten, dabei ihr Leben verloren. Wir sind durch die Wälder und Dörfer von Mecklenburg marschiert, ich und sechs meiner Freundinnen in einer Reihe, auf beiden Seiten von der SS mit ihren Gewehren flankiert. Wer hinfiel, wurde sofort erschossen. So sind wir gegangen, viele Tage und Nächte. Wir haben gefroren. Es gab nichts zu essen. Und wir haben nicht gewusst, wohin man uns bringt. ‚Die werden uns doch nicht noch in letzter Minute alle erschießen‘, hofften wir inständig. Dazu kam es dann auch nicht mehr. Denn wir hörten eines Tages, wie ein SS-Mann zu einem anderen sagte: ‚Es darf nicht mehr geschossen werden.’ Da wussten wir, der Krieg ist bald zu Ende. Und wir entschieden uns zur Flucht.


"Ich habe immer fest daran geglaubt, dass ich wieder frei sein werde."


Als wir in der Dunkelheit durch einen Wald gingen, nutzten wir die Chance, ließen uns eine nach der anderen unauffällig zurückfallen und versteckten uns hinter Bäumen. Während die Kolonne sich weiterschleppte, sind wir sieben Mädchen in die andere Richtung gelaufen. Und sind schon bald auf amerikanische Soldaten getroffen. Denen haben wir unsere eintätowierten Nummern gezeigt. Und die haben sich so gefreut, dass sie uns helfen konnten. Umarmt und geküsst haben sie uns. Obwohl wir wirklich kein schöner Anblick waren, ausgemergelt und schmutzig, wie wir waren. Und dann haben sie uns auf ihre Panzer genommen und sind mit uns in das nahe gelegene Städtchen Lübsch gefahren. Dort haben wir uns in einem Gasthaus erstmals wieder satt gegessen. Die Amerikaner wollten von uns hören, was wir erlebt hatten, und da ich Englisch sprechen konnte, erzählte ich ihnen, wo wir herkamen. Ein Soldat brachte ein Akkordeon von irgendwoher und schenkte es mir. Plötzlich hörten wir einen Riesenlärm auf der Straße und sind nach draußen gerannt. Da kam die Rote Armee und die Russen haben gerufen: ‚Der Krieg ist aus! Hitler ist tot!‘ Wir waren alle so unbändig glücklich. Die Amerikaner und Russen fielen sich in die Arme und küssten sich. Und wir Mädchen waren mittendrin in diesem Freudentaumel. Es war eine Wonne! Dann wurde die Befreiung gefeiert. Auf dem Marktplatz des Städtchens haben die Soldaten ein großes Hitlerbild aufgestellt und angezündet, und die Soldaten und die Mädchen sind um das Bild herumgetanzt. Und ich habe dazu das Akkordeon gespielt.“


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